Also, eigentlich sollte es ja ein tolles Wochenende werden: mit einer Töffgruppe (die eher einem Gemischtwarenladen gleicht) auf schönen Strecken mehr oder weniger gemeinsam an den Lago Maggiore in die Villa Morissolina und am nächsten Tag wieder zurück in heimatliche Gefilden. "Gemischtwarenladen" deshalb, weil diese Töffgruppe aus Motorrädern, einem Goldwing-Gespann, einem gelben Renault-Rennerle mit Mixed-Besatzung und einem englischen Oldie besteht. Es versprach also schon von Anfang an, eine spannende Tour zu werden.
Grüppchenweise trudeln wir beim Treffpunkt ein. Während manche schon die ersten Pässe hinter sich gebracht haben, bin ich mit dem Autoverlad durch den Lötschbergtunnel ins Wallis gezockelt. HIer habe ich das grosse Glück, das erste Mal im Triebwagen mitfahren zu dürfen. Nun weiss ich, dass der Tunnel eigentlich fadegrad' geplant war, beim Bau aber die Decke einstürzte, 6 Pferde und 24 Mann begrub und deswegen innerhalb von nur eine Woche neu berechnet und dann mit 3 Kurven (um den Deckeneinsturz herum) gebaut wurde.
Über die schöne alte Simplonpassstrasse nehmen wir nun (fast) gemeinsam die Tour unter die Räder. Mein Oldie ist fit und hält mit der illustren Truppe mit und wird hinten von zwei Motorrädern "gesichert". (Ob sie Angst haben, dass wir verloren gehen?) Oben kann dann auch der zitronengelbe Renault aufgesammelt werden (weiss der Himmel, welchen Weg ihn sein Navi gelotst hat), während dem Oldie zuteil wird, was ihm gebührt: eine Fotosession vor toller Kulisse! Gruppenbild mit den Töffs gibt es natürlich auch (s.o.) und so unterschiedlich sie auch alle sind, die Benzinkumpels verstehen sich.
Ab hier trennt sich dann die Tour - oder die Spreu vom Weizen, denn der Oldie und ich wollen es etwas ruhiger und gemütlicher angehen lassen. Sollen die Jungspunde mit ihren Töffs und der Zitrone im Schlepptau noch ein paar Kilometer mehr machen, ich möchte im Simplon-Dorf noch ein paar Fotos machen. Endlich mal ein Grund, um hier nicht nur vorbei zu fahren, sondern auch anzuhalten und sich umzusehen.
Wo kann man besser Schlemmen als in Italien? So steuere ich meine Lieblingsbeiz auf dem Weg zum Lago Maggiore an und geniesse einfache italienische Hausmannskost vom Allerfeinsten! Anschliessend fahren wir schon fast "nasebohrendgemütlich" durch die italienischen Dörfer mit einer Gelati-Pause am Lago Mergozzo. Das wunderschöne Centovalli hebe ich mir für den Rückweg auf. Und während ich mein Eis auf der Hafenmauer sitzend geniesse, fliegen meinem MG bewundernde Blicke zu.
Doch was ist eine gemeinsame Tour, wenn man nicht gemeinsam ankommt? Also die Seestrasse entlang und hinauf nach Cannobio, wo mir die Jungs & Mädels aus dem Valle de Cannobio entgegenkommen. Allen voran das Gespann mit einem breit grinsenden Driver - gefolgt von der Meute, welche zum Teil etwas blässlich um die Nase wirkten. Später war zu vernehmen, dass man das Gespann nach vorne geschickt habe, weil "...wenn das durch die Ecken und am Gegenverkehr vorbei kommt, dann kommen wir auch vorbei..." Uh, da geniesse ich doch mit meinem Oldie die normalen Strassen, wo der Gegenverkehr seine eigene Spur hat und von weit und breit weder Kratzer noch Beulen drohen. Gemeinsam schlängeln wir uns nun das zum Teil recht enge Strässle hinauf nach Trarego-Viggiona. Kernige Kurven und Spitzkehren lassen grüssen. Selbst die letzte Kurve kann auch ich in einem Zug nehmen. Letztlich der mit Erde nun dreckige rechte Vorderreifen verrät, dass ich weiiiiit ausgeholt habe. Das Willkommen in der Villa ist wie immer sehr herzlich - das Essen wie immer ein Traum und der Abend Vino-Grappa-Limoncellomässig lustig.
Nach einer erwartungsgemäss kurzen Nacht und einem wie immer sehr feinen und umfangreichen Frühstück, starte ich schon mal den Engländer (man weiss ja nie). Aber es ist alles gut und nach "seinen 5 Minuten" läuft er ruhig und rund. Startklar für den Heimweg via geplantem Fotostop in Cannero di Riviera, einem Einkaufsbummel in Cannobio, dem kurvenreichen Centovalli, via Simplon zurück ins Wallis und mit dem Autoverlad wieder ins Berner Oberland. So war der Plan. Meiner. Jedoch nicht seiner.
Nach sieben Kilometer Fahrt hinunter zur Seestrasse und den anderen noch locker aus dem Handgelenk ein "Ciao - ich fahre noch zum Hafen runter, Fotos machen" zugerufen - schweigt mein MG. Hallo? Kurz warten und neu anlassen hilft genau so wenig, wie länger warten und noch mal dasselbe Prozedere. Man könnte natürlich auch meinen (und dafür hätte ich absolutes Verständnis), dass es ihm so gut an der Promenade von Cannero gefallen hat, dass er unbedingt noch ein bisschen bleiben möchte. Und mal ehrlich, es gibt deutlich blödere Stellen um auf den Abschleppwagen zu warten, als hier. Also den MG erst mal so hinschieben, dass er a) für's Foto gut steht und b) niemandem im Weg ist. Leider will sich die Sonne nicht so recht zeigen.
Nun erst mal meinen besten Freund Holger auf seinem "Goldklumpen" anrufen, der mit den Töfflern ja weitergefahren ist. Zum Glück werden sie von den Baustellen an der Seestrasse etwas aufgehalten, so dass sie noch nicht weit gekommen sind. Nach kurzem Beratschlagen ist klar: Meke führt die restliche Töfftruppe mit der Zitrone auf noch spannenden und kurvigen Strassen zurück in die Schweiz, während Holger mit seinem Gespann zu mir und meinem gestrandeten MG kommt. Während wir nun gemeinsam und mit ohne Ahnung von Oldtimertechnik auf den örtlichen Abschleppdienst warten, wird der Motorbereich des kleinen Engländers von einem Touristen fachmännisch in die Finger genommen. Meine erstaunten Augen entlocken ihm die Erklärung, dass er früher mal selbst einen MG gefahren sei, einen MGA. Seine Frau wittert Bezinplausch und nimmt reiss aus mit Ziel Hotelzimmer.
Man kann ja über die Italiener sagen was man will, aber der Abschleppdienst ist subito pronto da. Schon fast kameradschaftlich fällt die Begrüssung aus, man kennt sich. Zumindest Holger und er, denn vor ein paar Jahren musste Holgers Ural-Gespann von ihm aus dem Centovalli abgeschlept werden. Wie klein und gemütlich die Welt doch ist. Doch mein altes Schnauferle am Abschlepphaken sehen, das tut weh. Ich könnt' heulen. So habe ich ihn zur Reparatur in Italien zurück gelassen. Ob der Mech englisch kann? Oder mir mein Engländer nachher ein Pastarezept auf italienisch beibringt? Da muss ich mich wohl überraschen lassen. Bei Holger im Beiwagen geht es zurück in die Schweiz. Das Wetter wurde der Hit, die Laune bald war bald auch wieder da wo sie sein sollte und letztlich haben wir dann doch noch einen tollen Tag. Ok, mit ein bisschen Magenschmerzen, feuchten Augen und bangem Herzen...
Eine Woche später fahre ich mit Bahn & Schiff nach Cannobio, um den kleinen Haudegen aus seiner italienischen Sommerfrische abzuholen. Mit seiner neuen Zündspule läuft er wieder wie am Schnürchen und wir kommen ohne Vorkommnisse zu Hause an.